Das hat sich aber zwischenzeitlich erfreulicherweise geändert. Und die Frauen waren bei uns von Anfang an willkommen und spielen eine wichtige Rolle in der Gruppe. Beim fünften Treffen im Oktober 2001 bei einem Vortrag von Prof. Alken und einem damaligen Oberarzt Siegsmund über das PSA-Rezidiv überrollten uns 120 Besucher. Wir waren auf den Ansturm nicht vorbereitet, und die Cafeteria platzte aus allen Nähten. Wir mussten uns ein neues Quartier suchen und fanden es im Diakonissenhaus direkt neben dem Krankenhaus im Mutterhaussaal. Dort sind wir bis heute gut untergebracht.
In meiner Naivität dachte ich, wir rennen mit der Gründung unserer Selbsthilfegruppe bei den niedergelassenen Urologen offene Türen ein. Zu meiner Verwunderung musste ich feststellen, dass wir auf eine sehr reservierte Haltung und zum Teil auf eine Abwehrhaltung der Niedergelassenen stießen. Da war Prof. Alken der Türöffner für uns. Er stellt sich vor und hinter die Gruppe, und wir fanden langsam die Akzeptanz auch bei den Niedergelassenen. Die Kliniker waren da anders. Sie unterstützten uns mit ihren Vorträgen. Und das abwechslungsreiche Vortragsprogramm zum Prostatakrebs ist einer der Anziehungspunkte unserer Gruppe geworden. Die Mitgliederzahl stieg und stieg und wuchs auf über 400 Mitglieder an. Damit sind wir eine der größten Prostatakrebs-Selbsthilfegruppen in Deutschland geworden. Insgesamt hatten wir in den 10 Jahren 1070 Mitglieder. Innerhalb eines Jahres hatten wir 60-80 Zugänge und ebenso viele Abgänge. Diese Größe sprengte den Rahmen einer „normalen“ Selbsthilfegruppe. Sie erforderte ein professionelles Management, und es war ein Glücksfall, dass zu den Gründern gleich zu Beginn Paul Enders und Julius Gabriel hinzustießen, die beide in größeren Unternehmen Führungspositionen bekleidet hatten. Von Beginn an arbeiteten wir im Team kollegial mit verteilten Aufgaben. Außerdem war wegen der großen Teilnehmerzahl bei den internen Gruppentreffen ein persönlicher Gedankenaustausch nicht mehr möglich. Wir mussten uns etwas einfallen lassen, damit wir uns nicht von der eigentlichen Zielsetzung einer Selbsthilfegruppe entfernen, dem gemeinsamen Lernen über den Krebs und mögliche Therapien und dem Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern. Wir erfanden das System der Thementische. So haben wir bei unseren internen Treffen bis zu 13 Thementische rund um den Prostatakrebs eingerichtet, von dem Tisch für Neubetroffene über Operierte und Bestrahlte bis hin zu komplementären Therapien.
Eine so große Gruppe hat auch einen entsprechenden finanziellen Bedarf, um alle Aktivitäten finanzieren zu können. Da waren und sind wir mit unseren „Finanzchefs in guten Händen. Wir bekommen Zuschüsse von der Deutschen Krebshilfe über den BPS, dem Krebsverband Baden-Württemberg und den Krankenkassen. Stolz sind wir darauf, dass fast 50 % unseres Etats durch freiwillige Spenden unserer Mitglieder finanziert werden. Wir blicken auch über den Tellerrand hinaus und arbeiten mit in den regionalen und überregionalen Organisationen der Selbsthilfe wie dem Gesundheitstreffpunkt Mannheim, dem Landesverband Prostatakrebs Selbsthilfe und dem Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. Am wichtigsten ist uns aber die Arbeit vor Ort mit unseren Betroffenen und ihren Angehörigen, die wir in allen Fragen bei der Krankheit Prostatakrebs beraten und unterstützen möchten.
Frühzeitig erkannten wir die Möglichkeiten des Internets für die Selbsthilfearbeit und legten uns von Anfang an eine E-Mail-Adresse und eine Website zu. Dadurch erreichen uns Anfragen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Erstaunlich ist bei dem Altersdurchschnitt unserer Mitglieder, dass fast 70 % eine eigene E-Mail-Adresse besitzen. Im Juli 2002 wurde uns der Förderpreis Selbsthilfe nach Krebs 2002“ des Krebsverbandes Baden-Württemberg verliehen. Mit der Preisverleihung wurden die Stärkung bestehender Selbsthilfeformen und die Entwicklung innovativer Ansätze in der Selbsthilfearbeit gewürdigt. Obwohl wir als Selbsthilfegruppe-Aktivisten uns nicht zu Pseudo-Medizinern“ entwickeln wollen, nehmen wir an medizinischen Fortbildungsveranstaltungen teil und haben dabei viel Fachwissen gesammelt. So nehmen wir regelmäßig an den Uro-Onkolo-gischen Qualitätszirkeln in Mannheim teil. 2003 lud uns Prof. Alken als damaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie zum DGU-Kongress nach Hamburg ein. Erstmalig nahmen Patientenvertreter an einem Urologenkongress teil. Zwischenzeitlich ist das zur Normalität geworden. Selbst als Referenten treten zwischenzeitlich unsere Patientenvertreter bei den Kongressen auf. Unsere Gruppe steht fest auf dem Boden der Schulmedizin und steht experimentellen Therapien kritisch, zweifelhaften ablehnend gegenüber. Wir wollen den Betroffenen helfen, zu mündigen Patienten zu werden, die in eigener Verantwortung vertrauensvoll mit ihrem Arzt über di angemessene Therapie entscheiden.
Text: Hansjörg Burger aus der Festschrift zum 10-jährigen Bestehen der Gruppe, sinngemäß gekürzt
|